POS Ladenbau 06/2014 Fachbeitrag
Testen heißt Wissen
Energie-Controlling im Lebensmitteleinzelhandel
Kühlmöbel haben sich in den vergangenen Jahren vom rein technisch ausgerichteten Produkt zu einem wesentlichen optischen Element im Lebensmittelmarkt entwickelt. Gleichzeitig wird mindestens ebensoviel Wert auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz gelegt. Somit bewegt sich das moderne Kühlmöbel im Spannungsfeld zwischen Lebensmittelqualität, Warenpräsentation und Energieverbrauch.
Um die beiden Prämissen Temperaturstabilität und Energieeffizienz zu erfüllen, muss ein Kühlmöbel unter möglichst realen Bedingungen getestet werden. Einflussfaktoren hierfür sind die Temperatur, die relative Luftfeuchte, Luftführung, Aufstellort, Beleuchtung etc. Für eine schnelle Variation dieser Parameter ist ein Testraum unerlässlich. Hier kann die jeweilige Bedingung wiederholgenau nachgestellt, Effekte beobachtet und begreifbar gemacht werden. Wechselwirkungen, wie der Einfluss von offenen, mit Glas geschlossenen oder auch steckerfertigen Kühlmöbeln lassen sich ebenso nachstellen und beobachten, wie das Verhalten der Warenkerntemperatur von echten Lebensmitteln. Längst gehen große Lebensmittelketten dazu über, die Versprechungen der Hersteller in unabhängigen Prüfinstituten nachprüfen zu lassen – mit teils, für die Auftraggeber, verblüffenden Ergebnissen.
Hersteller unabhängige Tests
Zur Ermittlung und Auswertung neutraler Messwerte müssen die Testräume bezüglich Beleuchtung, Durchströmung etc. genauen Verfahrensvorgaben (Norm DIN EN ISO 23953) entsprechen. Die Messung des Kältemittelmassenstroms wird direkt am Möbel durchgeführt und ist somit unabhängig von der Verdichterleistung und der Konfiguration der Verbundanlage. Aus diesen Testergebnissen werden z. B. in Bezug auf die gewählten Lichtquellen immer neue Konzepte zur Verbesserung entwickelt. Diese Testräume dienen als Grundlage für weitere Optimierungen am Gesamtsystem Kühlmöbel und sind somit integraler, aber auch ein unentbehrlicher Bestandteil von Forschung und Entwicklung.
Auch LED auf dem Prüfstand
Die Bauteile eines Kühlmöbels treten zugunsten der Ästhetik optisch immer weiter in den Hintergrund. Der Warenausleuchtung und damit der Wahl der Leuchtmittel kommt heute eine immer größere Bedeutung zu. Während herkömmliche Leuchtstoffröhren einen relativ hohen Infrarotanteil aufweisen, der beim Auftreffen auf die Kühlware in Wärme umgewangelt wird, ist dieser beim LED-Licht vernachlässigbar klein. Zudem fühlt sich die LED im Kaltbereich wohler als eine T5 Röhre, die ihren vollen Wirkungsgrad erst ab einer gewissen Betriebstemperatur entfaltet. Aber auch bei einer LED entsteht Prozessabwärme, die je nach LED-Typ bis zu 70 Prozent der Aufnahmeleistung entsprechen kann. Diese Wärme wird vom Hersteller der LED auf der Rückseite des LED-Chips abgeführt. Daher muss für eine ausreichende Kühlung gesorgt werden, ohne diese die Lebensdauer der LED beträchtlich abnehmen würde – einer der Hauptgründe für den Einsatz einer solchen Beleuchtung. Eine optimale Lösung ist, die LED so anzubringen, dass die Abwärme der LED die Warenqualität nicht beeinträchtigt. Dies zeigt, wie wichtig die messtechnische Überprüfung aller Bauteile innerhalb eines Kühlmöbels ist. Deren sinnvoller Einsatz ermöglicht eine optimale Ausleuchtung durch LED im Kühlmöbel ohne negativen Effekt auf die Warentemperatur und den Energieverbrauch. Es sollte also das Gesamtkonzept im Vordergrund stehen. Nur ausreichend im Versuch getestete Systeme erlauben einen Rückschluss auf die Situation im Markt.
Isolierte Betrachtungen sind nicht mehr zeitgemäß
Auch das Umfeld kann wichtige Erkenntnisse vermitteln, wobei die einzelnen Faktoren in Wechselwirkung zueinander stehen und daher nicht getrennt bilanziert werden können. Energetisch betrachtet lassen sich neben der Beleuchtung noch weitere Verlustfaktoren ausmachen: Mit fast 66 Prozent schlägt der Einfluss der Umgebung (Lufteinfall bzw. Induktion) auf das Kühlmöbel als größter Faktor in der Energie-/Wärmebilanz zu Buche. Wie beeinflussen die Umgebungsbedingungen die Energieaufnahme z. B. eines mit Single-Scheiben geschlossenen Kühlmöbels in konkreten Zahlen?
Intelligentes Energiemanagement am POS
Bereits bei einer Absenkung der Umgebungsbedingungen von 25°C und 60 Prozent relativer Feuchte auf 24°C und 50 Prozent wird die notwendige Aufnahmeleistung des Kühlmöbels um ca. 24 Prozent reduziert. Eine weitere Absenkung der Umgebungsbedingungen auf 22°C und 50 Prozent reduziert die Leistungsaufnahme um weitere 10 Prozent. Hieraus wird ersichtlich, dass die Luftfeuchte mitunter einen erheblichen Einfluss auf die benötigte Energie eines Kühlmöbels hat – selbst bei einem mit Single-Glas geschlossnen System. Dies macht die Bedeutung des richtigen Aufstellortes der Kühlmöbel innerhalb eines Marktes deutlich. So sollten diese von möglichen Quellen hoher Feuchtigkeit wie z. B. Küchen, Metzgereien, Fischtheken etc. möglichst weit entfernt stehen. Zusätzlich sollte darauf geachtet werden, dass die Belüftung (z. B. Nachtspülung der Raumluft) so gesteuert wird, dass diese keine warme, feuchte Luft von außen in den Markt und an die Kühlmöbel leitet. Um- oder neu gebaute Märkte erhalten meist eine Klimaanlage zur Konditionierung der Luft in den Verkaufsräumen. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die gefühlte Luftqualität im Markt, sondern trägt durch die Luftraumentfeuchtung auch zur Energieeinsparung bei. Der Trend geht allgemein zum individuellen Energie-Management an jedem POS.
Energieeinsparung nicht um jeden Preis
Da sich moderne Kühlmöbel wie eingangs dargestellt immer im Spannungsfeld zwischen Lebensmittelqualität, Warenpräsentation und Energieverbrauch bewegen, wird das Energiesparen allein nie der Hauptfaktor bei der Entwicklung neuer Kühlsysteme sein. Die neuesten Erkenntnisse auf diesem Gebiet führen jedoch wie bei der „Weißen Ware“ zu neuen Energieklassen von Kühlmöbeln. Auch hier vollziehen sich die Veränderungen bzw. technischen Verbesserungen, für den Kunden nicht sichtbar, eher im Verborgenen.
Autor: Matthias Weiß, (Dipl. Ing.) von PAN-DUR beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Bereich Forschung/Entwicklung innerhalb der Kältetechnik